17.01.2017
Informationen zu den Hintergründen einer Gesetzesnovelle
Bernburg. Das kürzlich vom sachsen-anhaltischen Regierungskabinett beschlossene und im Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen vereinbarte Vorhaben zur Zusammenlegung von Landes- und Landesdienstflagge des Bundeslandes Sachsen-Anhalt bedeutet weit mehr als einen formalen Akt. Mit der Übernahme des Landeswappens in die Landesflagge kommt der – seit dem späten 19. Jahrhundert andauernde – sächsisch-anhaltische Wiedervereinigungsprozess symbolisch zu seinem Abschluss. Die derzeit noch gültige wappenlose gelb-schwarz gestreifte Landesflagge nutzte man in umgekehrter Farbfolge in der Provinz Sachsen bereits seit dem Jahr 1884. Sie erfreute sich aber schon um 1900 nur geringer Beliebtheit und repräsentiert den zweigliedrigen Landesnamen „Sachsen-Anhalt“ nicht.
Ablehnung löste Initiative aus
Den Auslöser der Initiative zur Übernahme des Landeswappens in die Landesflagge bildete eine im Nachgang an das Anhalt-800-Jubiläumsjahr 2012 von der Kulturstiftung Bernburg gestellte Anfrage zur Genehmigung des Aufzugs einer Sachsen-Anhalt-Flagge auf dem Bernburger Schloss, das als Erinnerungsort für den „Bernburger Erbfall“ gilt. Die Kulturstiftung Bernburg gründeten aus Ost- und Westdeutschland stammende Bernburger Bürger im Jahr 1992 als gemeinnützige und privatrechtliche Stiftung mit dem Zweck, die anhalt-bernburgische Tradition und Kultur nach dem Niedergang in der DDR zu fördern. Das Anliegen der Kulturstiftung zum Flaggenaufzug wurde vom Innenministerium im März 2014 mit dem Verweis auf das geltende Hoheitszeichengesetz abgelehnt, welches die Nutzung der mit dem Landeswappen versehenen Landesdienstflagge nur wappenführenden staatlichen Stellen gestattet. Mit dieser Entscheidung wollte sich Olaf Böhlk, der Initiator der Flaggen-Initiative, nicht abfinden. Er betreut für die Kulturstiftung Bernburg den Arbeitsbereich „Residenz- und Landesgeschichte“. Im späteren Verlauf wurde die Kampagne nicht nur vom sachsen-anhaltischen Ministerpräsidenten Haseloff, sondern auch von Abgeordneten unterschiedlicher Landtagsfraktionen unterstützt.
Sachsen und Anhalt – 805 Jahre bis zur vollständigen Wiedervereinigung
Die beiden Länder Sachsen und Anhalt wurden im Jahr 1212 beim „Bernburger Erbfall“ aus gemeinsamer askanischer Wurzel gestiftet. In Anhalt herrschten die Askanier bis zum Jahr 1918, im Herzog- und Kurfürstentum Sachsen setzten sich nach dem Aussterben der Wittenberger Askanier im Jahr 1422 die Wettiner gegenüber askanischen, hohenzollernschen und welfischen Ansprüchen durch. Nach der Niederlegung des sächsischen Herzogs- und Kurfürstentitels durch den letzten wettinischen Kurfürsten Friedrich August III. beim Rheinbundbeitritt im Jahr 1806 ging die Landesherrschaft über das sächsische Herzogtum und der traditionsreiche Titel „Herzog zu Sachsen, Engern und Westphalen“ aufgrund der Beschlüsse des Wiener Kongresses im Jahr 1815 auf den preußischen König Friedrich Wilhelm III. über. Unter preußischer Herrschaft wurde aus dem Herzogtum Sachsen und weiteren einst sächsischen und später preußischen Territorien die preußische Provinz Sachsen geformt. Der Name „Sachsen“ kehrte somit im Jahr 1815 in seinen historischen Geschichts- und Kulturraum an Harz, Elbe und Saale zurück. Nachdem im Jahr 1946 das Land Anhalt in der im Jahr 1945 wieder eingerichteten Provinz Sachsen aufgegangen war, fand die Wiedervereinigung der sächsischen und anhaltischen Traditionslinien im 1946 neu festgelegten Provinz- und späteren Landesnamen „Sachsen-Anhalt“ ihren Ausdruck. Die Verbindung der vom Schloss Bernburg ausgehenden sächsischen und anhaltischen askanischen Wappenelemente – Rautenkranz- und Bärenwappen – erfolgte aber erst 1991 im Landeswappen des wiedergegründeten Bundeslandes Sachsen-Anhalt.
Ein Impuls für eine neue, selbstbewusste Phase der Landesentwicklung
Falls der sachsen-anhaltische Landtag am 06./07.04.2017 (erste Lesung: 02./03.02.2017) der Gesetzesnovelle zustimmt, würde mit der Übernahme des Landeswappens der Landesname „Sachsen-Anhalt“ erstmals auch auf der Landesflagge des Bundeslandes Sachsen-Anhalt heraldisch repräsentiert. Auf den Fundamenten sächsischer und anhaltischer Geschichtstraditionen könnte der Prozess der „Freigabe“ der Sachsen-Anhalt-Flagge im Reformationsjahr 2017 ein Zeichen für ein neues, historisch gegründetes Selbstbewusstsein in Sachsen-Anhalt setzen. Wirtschaft, Kultur, Sport und jedem Bürger wäre es dann möglich, für eines der traditionsreichsten deutschen Bundesländer Flagge zu zeigen!
- Das Impulspapier „Sachsen-Anhalt 2.0: Reformation als Prozess“ der Kulturstiftung Bernburg vermittelt Anregungen zur weiteren Gestaltung auf dem Weg zu einem kulturell und regional integrierten Bundesland Sachsen-Anhalt. (Online verfügbar unter: http://www.lsa2.de)
- Ausführliche historische Hintergründe und Quellen in den Aufsätzen: „Vom sachsen-anhaltischen zum sächsisch-anhaltischen Landesbewusstsein“ und „Das Herzogtum Sachsen und der Wiener Kongress“ (Online verfügbar unter: https://www.academia.edu/17617036 und http://bernburger-thesen.de/wp-content/uploads/2016/08/Herzogtum-Sachsen-beim-Wiener-Kongress-Onlinefassung-v1.0.pdf)